Album der Woche
„I Inside The Old Year Dying“ von PJ Harvey
Sieben Jahre hat sie ihre Fans warten lassen. Jetzt ist endlich neue Musik da. PJ Harvey hat mit „I Inside the Old Year Dying“ ein neues Album rausgebracht. Durch ein Foto, das sie im Februar 2022 im Studio geschossen hat, kündigte sie die neue Platte an. Dazu schrieb sie, dass es eines der schwierigsten Album seit langem war. Beschrieben wird es als ein Gefühl von „der Intensität der ersten Liebe und die Suche nach dem Sinn“.
Es ist mittlerweile das zehnte Album der 53-jährigen Engländerin und wird sicher damit nicht das letzte sein. In ganzen zehn Ländern schaffte es das Album in die Top Ten der Charts. Große Helfer waren dabei Producer „Flood“ und „John Parish“, deren Einfluss man beim Hören deutlich merkt. Auch der britische Oscar-Regisseur Steve-McQueen („Twelve Years a Slave“) gab PJ Harvey die richtigen Ratschläge, damit sie wieder kreativ werden konnte. Mit dem Albumname „I Inside the Old Year Dying“ meint sie damit das Gefühl des jungen Geistes im älter werdenden Körper.
Wie gewohnt und doch so anders
Wie verändert kann ein*e Künstler*in nach einer siebenjährigen Pause klingen? Manche machen eine 360 Grad-Drehung, währenddessen andere ihrer Linie vollkommen treu bleiben. Zwischen diesen beiden Phänomenen liegt PJ Harvey. Mit einer höheren Stimme als gewohnt schlägt PJ Harvey bei diesem Album eine eher kunstvolle Richtung ein. Dabei lässt sich ganz klar sagen, dass diese Musikrichtung nichts für jede*n ist. Sie grenzt sich ganz klar vom Mainstream ab und gerade dann, wenn man das Gefühl hat, in einem ihrer Lieder einen poppigen Sound wiederzufinden, schlägt die Stimmung wieder um. Anders als in ihren anderen Alben ist dieses verträumter, spielerischer und exotischer. Trotzdem findet man in den Songs den Charme der Künstlerin wieder, was viele Fans begeistern wird.
Die Produktion
In einem Interview der BCC verrät die Künstlerin, dass ihre Songs nicht durch strenge Planung entstanden sind, sondern durch einfaches Jammen im Studio. Wirklich ernst nehmen konnte sie die Verbesserungsvorschläge der Produzent*innen früher nie, das bereut sie aber heute. Den erst durch konstruktive Kritik bekommt man von der eigenen Musik einen anderen Blickwinkel. Bei ihrem jetzigen Album hat sie alles richtig gemacht und die Kritik ihrer Produzenten „Flood“ und „John Parish“ sehr zu Herzen genommen. Bei einigen Songs singen sie sogar mit. Vor dem Song „Lwonson Tonight“ hatte PJ Harvy beim Aufnehmen am meisten Angst. Sogar so stark, dass sie jemanden gesucht hat, der für sie die Gitarre spielt. Sie hat das Potential in dem Song gesehen und wollte durch ihre verkrampften Fingern den Prozess nicht unnötig in die Länge ziehen. Die Texte behandeln die Natur und deren Einsamkeit.
Kleine Stichprobe gefällig?
In „A Childs Question, August“ singt PJ Harvey in ihrer lieblichsten und weichsten Stimme, die sie zu bieten hat. Mit einen hallenden Sound und einem beruhigenden Schlagzeugrhythmus singt sie über die „ach so schnell rasende Zeit“ in unserer Gesellschaft.
„Autumn Term“ sticht aus dem Album raus. Anders als die anderen Songs versteckt sich dieser nicht hinter Gesang, der fast schon als Flüstern gedeutet werden kann. Mit zwei aufeinandergelegten hohen Stimmen und einem Klavier, das fast alles übertönt, präsentiert sich der Song von seiner besten Seite.
„I Inside the Old I Dying“ ist nicht nur der Albumname von PJ Harvey, sondern auch einer der beliebtesten Songs von ihr. Mit ganzen 800.000 Klicks ist dieses Lied der zweitmeistgehörte vom ganzen Album. Das Musikvideo ist dabei genauso kunstvoll bearbeitet wie ihre Songs. Mit einer Stop-Motion-Technik wird im Video die Geschichte von einem Jungen erzählt, der von daheim ausgerissen ist und sich nun durch die Wälder schlägt.
Obwohl der Song „A Noiseless Noise“ laut den Aufrufzahlen auf YouTube keinen großen Anklang findet, wird er trotzdem von den treuen Zuhörer*innen hoch gelobt. Mit einem melodischen Einstieg stellt man sich vorerst auf einen gemütlichen Song ein. Doch ab der Mitte des Liedes schlägt die Stimmung um und die Gitarre fängt an, Kreischlaute von sich zu geben.
Und los geht die wilde Fahrt!
Musikalisch erwartet euch eine kunstvolle Vielfalt von Folk mit kleinen Blues-Akzenten. Mit 13 Songs und einer Länge von 39 Minuten könnt ihr für einen kurzen Moment in die Welt von PJ Harvey abtauchen. Und wer jetzt überzeugt ist, kann gerne am 21. oder 22. Oktober in den Admiralspalast Berlin kommen, denn dort spielt PJ Harvey ab jeweils 20 Uhr.
Unsere weiteren Alben der Woche findet ihr hier.
Autor: Louis Steppat