Interview mit Alex Feuerherdt
Rassismus-Skandal in der Champions League
Beim Spiel zwischen Paris Saint-Germain und Başakşehir Istanbul hat sich der Vierte Offizielle gegenüber dem Co-Trainer von Başakşehir rassistisch geäußert. Schiedsrichter Alex Feuerherdt vom Podcast „Collinas Erben“ ordnet für uns das Geschehnis ein.
Rassismus war dieses Jahr neben Corona wahrscheinlich DAS Thema, das die Welt am meisten beschäftigt hat. Nach dem Tod von George Floyd gab es viele Proteste, darunter natürlich die der „Black Lives Matter“-Bewegung.
Am Dienstag, den 10. Dezember 2020, kam es in der UEFA Champions League auch zu einem Rassismus-Skandal. Im Spiel zwischen Paris Saint-Germain und Başakşehir Istanbul äußerte sich der Vierte Offizielle, Sebastian Coltescu, gegenüber dem Co-Trainer von Başakşehir, Pierre-Achille Webo, rassistisch. Das Spiel wurde nach nur 15 Minuten abgebrochen.
Dass ein unparteiischer Schiedsrichter mit einer rassistischen Äußerung für einen Spielabbruch sorgt, ist in der Geschichte des Fußballs noch nie passiert.
Alex Feuerherdt ist selbst Schiedsrichter und bildet in Köln andere Schiedsrichter*innen aus. Zusammen mit seinem Kollegen Klaas Reese betreibt er den Podcast „Collinas Erben“, in dem sich alles um Schiedsrichterentscheidungen dreht.
Wenn rassistische Äußerungen fallen, ist das völlig inakzeptabel.
Alex Feuerherdt, Schiedsrichter und Teil des Podcasts „Collinas Erben“
Interview mit Alex Feuerherdt
max neo: Wie haben Sie den Spielabbruch empfunden?
Alex Feuerherdt: Da bin ich ziemlich entsetzt gewesen. Natürlich sollte ein Schiedsrichter und auch ein Vierter Offizieller niemals durch sein Verhalten Anlass dazu geben, dass es zur Aufregung kommt. Wenn rassistische Äußerungen fallen, ist das völlig inakzeptabel. Da ist der Vierte Offizielle seiner Vorbildfunktion in keinster Weise gerecht geworden. Es war absolut verständlich und richtig, dass die Mannschaften das Feld verlassen haben. Unter diesen Bedingungen kann man nicht weiterspielen.
max neo: Welchen Einfluss haben Corona und damit das leere Stadion auf so einen Skandal?
Feuerherdt: Das, was man normalerweise als Nachteil empfindet, nämlich die fehlenden Zuschauer, ist da in gewisser Weise ein „Vorteil“ gewesen. Es ist denkbar, dass die Äußerungen des Vierten Offiziellen zum Schiedsrichter möglicherweise sonst gar nicht wahrgenommen worden wären. Ob das auch mit Zuschauern so gewesen wäre, weiß ich nicht. Aber klar ist auch: Ohne Zuschauer ist das sehr gut und sehr deutlich hörbar gewesen.
max neo: Haben Sie selber schon mal rassistische Äußerungen im Fußball mitbekommen?
Feuerherdt: Das bleibt nicht aus in einer langen Laufbahn als Schiedsrichter. Mir sind diverse rassistische Vorfälle untergekommen: als Schiedsrichter auf dem Platz, als Zuschauer bei Fußballspielen und bei Amateurspielen. Das hat dann auch die entsprechenden Konsequenzen gehabt.
max neo: Wie werden Schiedsrichter*innen im Bezug auf „Rassismus im Fußball“ geschult?
Feuerherdt: Wir machen eigene Workshops, in denen wir Schiedsrichter*innen darin schulen, wie sie den Unterschied zwischen einer Beleidigung und einer Diskriminierung erkennen können – insbesondere rassistische, sexistische oder homophobe Diskriminierungen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat eine Broschüre rausgebracht. Sie heißt „Gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung. Für Vielfalt und Respekt! Zum Erkennen von Symbolen und Zeichen.“ Da geht’s beispielsweise darum, wie die rechtlichen Grundlagen bei rassistischen Äußerungen sind, welche Symbole verwendet werden und wie man sie als Schiedsrichter erkennen und entsprechend handeln kann.
max neo: Welche Bedeutung hat dieser Spielabbruch für den Fußball?
Feuerherdt: Es ist deutlich geworden, dass Kampagnen alleine nicht reichen. Es muss noch viel tiefer gehen und man offensichtlich auch die Unparteiischen in dieser Richtung nochmal schulen muss. Es hat niemand damit gerechnet, dass es von den Schiedsrichtern selbst ausgehen würde.
Das Interview führte Claudia Moser.
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