Der Hintergrund des Bildes ist rot. Auf der linken Seite steht "7.-9. Oktober SLAM! 2021". Rechts ist David Friedrich im Porträt zu sehen. Er trägt einen mintfarbenen Pulli und sitzt auf einer Couch.

Interview

David Friedrich macht genauso lange Poetry Slam wie nicht

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David Friedrich ist deutschsprachiger Poetry Slam Meister 2021! Die deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam haben dieses Jahr in Nürnberg stattgefunden. max neo ist offizieller Medienpartner des SLAMs. Im Zuge dessen haben wir vorab für euch Interviews mit Slammer*innen geführt. Moderator, Autor und Poetry Slammer David Friedrich hat uns spannende Fragen in einem Interview beantworten können.

David möchte unterhaltsam sein

David, wie bist du du zu diesem eher ungewöhnlichen Hobby gekommen?

Ich war 15 Jahre alt, also es ist schon sehr lange her. Ich habe selber Texte geschrieben und bin dann zufällig da vorbeigestolpert. Habe das gesehen, nicht ganz verstanden, was das ist, aber dachte mir, ich probiere das einfach mal aus. Einfach für junge Leute, die Output haben und Lust haben, das zu zeigen, was sie eh schon machen. Das war für mich dann irgendwie eine ganz gute Ausprobier-Bühne. Eigentlich habe ich vom Poetry Slam gar nichts verstanden. Es ging für mich nur darum, da ist irgendwas, da kann man mitmachen, da darf jeder dann für fünf Minuten auf die Bühne und seinen Stuff machen. Darum ging’s mir nur. In meinem Kosmos hatte das Ganze mit Poetry, Literatur oder Gedichten gar nichts zu tun.

Man kann im Poetry Slam über eigentlich fast alles schreiben. Über welche Themen schreibst du deine Texte?

Immer gesellschaftliche, kritische und politische Themen. Das Ganze aber so, dass man das natürlich auch konsumieren kann, dass es vielleicht unterhaltsam ist. Aber ich persönlich habe im Laufe der Jahre festgestellt, dass es sehr gut tut, auch unbequem auf der Bühne zu sein. Eben nicht fünf Minuten so ein „erfriertes Häppchen“ den Leuten anzubieten. Es gibt nichts Besseres als auf der Bühne zu stehen und den Finger in irgendeine Wunde zu drücken. Die Leute sagen dann nicht: „Oh, was soll das? Das möchte ich jetzt nicht!“, sondern sagen: „Ah, Scheiße, ja, ok, verdammt.“ Aber hoffentlich ist der Nächste dann wieder ganz, ganz witzig, damit ich jetzt nicht so ein schlechtes Gewissen habe.

Was bedeutet Poetry Slam für dich?

Für mich, kann man schon so sagen, mein Leben. Es begleitet mich. Ich mache jetzt schon genauso lang Poetry Slam wie nicht. Also ich bin 30 und habe so dieses 15 Jahre Ding gerade. Ich würde sagen, das ist alles eigentlich für mich. Ich habe dem Poetry Slam irgendwie auch alles zu verdanken, weil dieses Format mir sehr, sehr viel ermöglicht hat. Die Menschen, die in diesem Format aktiv sind, seit 20 oder 25 Jahren, haben da sehr viele Einzelschicksale gepusht – nicht nur die Kunstform an sich. Für mich ist Poetry Slam in der deutschen Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken. Es ist eine Form von Veranstaltung, die ihresgleichen sucht und mittlerweile ihren Wert auch hat. Poetry Slam ist immaterielles Weltkulturerbe der UNESCO. Viele Leute aus dem Poetry Slam gehen in andere Bereiche über und machen dort Karriere. Das ist für mich eine Bestätigung, dass das nicht mehr irgendeine kleine Studentenveranstaltung ist, irgendeine Subkultur, sondern wirklich Mainstream.

„Lasst uns das zelebrieren und feiern!“

Dieses Jahr finden die deutschsprachigen Meisterschaften nun schon zum 25. Mal statt. David, bist du dieses Jahr besonders ehrgeizig?

Ich bin weder ambitioniert noch habe ich Lust, anderen Leuten den Startplatz wegzunehmen. In dem Fall war es wirklich so, dass ich explizit gefragt wurde. Ich fühle mich natürlich geehrt und deswegen trete ich auch gerne an. Aber ich glaube nicht, dass ich das nächstes Jahr nochmal mache. Meine Zeit ist, glaube ich, bei Meisterschaften vorbei, ich bin für Slam-Verhältnisse schließlich ein alter Hase. […] Ich freue mich sehr darauf, da hauptsächlich hinzufahren, um einfach mal wieder Poetry Slam Meisterschaften zu erleben und mit den Leuten zu sein. Wenn ich dann irgendwie eine Runde weiter kommen sollte, dann ist das super, super nett.

Auch wenn du jetzt nicht den Sieg als Ziel siehst, was erhoffst du dir von den Meisterschaften?

Ich hatte das Gefühl, durch Corona ist Poetry Slam natürlich als Veranstaltungsformat so ein bisschen eingeschlafen, weil man nicht veranstalten durfte. Es kommt schwer wieder in die Gänge. Ich hab ein bisschen Angst, dass das so ein irreparabler Schaden ist, von dem sich der Slam nicht mehr erholt. Dass das irgendwie wieder zu so einem subkulturellem Phänomen wird. Das würde ich sehr schade finden. Deswegen erhoffe ich mir von den Meisterschaften in Nürnberg, dass sie eine gewisse Strahlkraft haben. Wir sind immer noch das Land von Menschen, die gerne dichten und denken und so ein Scheiß und deswegen: Lasst uns das zelebrieren und feiern!

Was ist das Besondere am Poetry Slam?

Ich finde es nach wie vor, nach all den Jahren, immer noch unfassbar, wie überraschend das immer noch ist. Dass man nicht vorher einschätzen kann, was passiert. Jeder Poetry Slam Abend ist eigentlich immer wieder eine Wundertüte. Es kommen immer wieder neue Leute auf die Bühne, junge Leute, alte Menschen, aus allen Richtungen, mit allen Hintergründen. Und die machen das irgendwie so extrem besonders. Es kann total ergreifend sein, man kann sich total den Arsch ablachen, es kann aber auch irgendwie, ich möchte jetzt schon fast sagen, bewusstseinserweiternd sein. Je nachdem, wer da auftritt, kann immer alles passieren, ich habe da echt schon alles erlebt. Es ist ein sehr abwechslungsreicher Beruf, den ich da haben darf.

Das Interview führte Luna Neuwerth.

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