Albrecht Dürer

Ein Lockenkopf mit Geschichte

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Eine Reportage von Lea Henneberg

An diesem Frühlingsmorgen scheint die Sonne über der Altstadt von Nürnberg. Wer durch das Tiergärtnertor in Nürnberg steigt, findet sich auf einem alt gepflasterten Vorplatz wieder, welcher von Lokalen wie dem „Wanderer“ umringt ist. Die Mitarbeiter*innen dort sind eifrig dabei, die Schirme aufzuziehen und die Tische herzurichten. Noch recht still steht es um ein altes Fachwerkhaus, gleich gegenüber des Tiergärtnertors. Mit vier Stockwerken aus weißem Stein und rotem Holz, mit einem Dach aus dunklen Dachziegeln, wirkt es wie ein größeres Hexenhaus. Dort gelebt hat zwar ein dunkler Lockenkopf, eine Hexe war es allerdings nicht. Vor mehr als 500 Jahren war es das Haus des wohl bedeutendsten Künstlers der frühen Renaissance, Albrecht Dürer. Er ist vor allem für seine Kupferstiche und Malerei auf Holztafeln bekannt.

Das Foto zeigt das Albrecht-Dürer-Haus in Nürnberg von der Stadtmauer aus. Es ist ein Fachwerkhaus.
Auch von der Nürnberger Stadtmauer hat man eine gute Sicht auf das Albrecht-Dürer-Haus. Foto: max neo/Lena Schnelle

Das Museum des Künstlers

Seit dem 19. Jahrhundert ist das Haus als ein Museum zugänglich. Ein Ort, der zeigt, wie das Leben zu Zeiten von Dürer ausgesehen haben könnte. Die Frage stellt sich, inwiefern der Geist des Künstlers nach fünf Jahrhunderten noch in diesem Haus schweben kann. 

Eine breite Holztür führt ins Museum und unmittelbar zum Ticketverkauf. Albrecht Dürer ist hier noch nicht zu sehen. Steigt man die knarzende Treppe hinauf in den ersten Stock, führt sie in die gute Stube des Künstlers. Ein dunkel vertäfeltes Zimmer, ein kleiner Tisch mit Eckbank gleich neben dem Fenster. Viel Licht scheint nicht durch. Dürer brauchte selbst tagsüber eine Kerze, um dort an Zeichnungen arbeiten zu können. Am meisten beschäftigte ihn, wie ein „perfekter“ Körper aussah und stellte dazu sogar Rechnungen an.

Alles nur „fake“?

„Wer jetzt vielleicht denkt, das ist genau der Tisch, an dem Albrecht Dürer gesessen hat. Ne, leider nicht. Die Stube sowie die Werkstatt sind historisch treu nachgebaut, um die Atmosphäre der Zeit nachzustellen“, verrät Dr. Thomas Eser, der Direktor von Nürnbergs Museen. Es ist ein Versuch, das Leben Dürers so gut es geht, nachzukonstruieren. Die Möglichkeit zu geben, sein Leben, seine Person und seine Werke zu verstehen.

Albrecht Dürer – der Lebemann

Ordentlich gelebt – das hat Herr Dürer mit hoher Gewissheit. Mit seiner Kunst verdiente er zu Lebzeiten so viel, dass er Reisen und Festmähler veranstalten konnte. Im historischen Esszimmer des Albrecht-Dürer-Hauses steht ein großer Holztisch, in der Mitte eines lichtdurchfluteten Raumes. Auf solch einem Tisch wurden bis zu sieben Gänge serviert. Wenn der Künstler seine Freunde zu sich einlud, durften die Herren von Fisch bis hin zu exotischen Früchten alles verspeisen. „Nürnberg war eine Handelsstadt. Hier gab’s sogar Pomeranzen. Heute sagt man Orangen“, klärt Dr. Eser auf.

Werkeln und Malen

Eine weitere, knarzende Treppe und somit ein Stockwerk höher, gelangt man in den Raum, wo die Kraftarbeit Dürers stattgefunden haben könnte: die Werkstatt des Künstlers, ein großer, gut beleuchteter Raum. Wer den Blick streifen lässt, kann den kreativen Geist Dürers aus jedem Winkel einsaugen. Alle Utensilien, Werkzeuge und Farben sind hier aufgestellt. Eine Holzvitrine zeigt, aus welchen Mineralien die Farben hergestellt wurden. Hinten im Raum steht eine Druckerpresse, mit der Dürer seine Kupferstiche angefertigt hat. Denn das Drucken war sein eigentlicher Hauptberuf.

Die Galerie

Nichtdestotrotz erlangte Dürer weltweite Bekanntheit durch seine Gemälde. Ein moderner Anbau an das ursprüngliche Dürer Haus gewährt einen Einblick in eine ausgewählte Galerie der Dürer-Gemälde. Das globale Interesse an seinen Werken, führte dazu, dass sich keine Originale im Albrecht-Dürer-Haus befinden. Über die Jahre hinweg gelangten sie in Privatbesitze und wurden teuer an berühmte Museen wie das „Albertina“ in Wien, das „Louvre“ in Paris oder an die „Pinakotheken“ in München verkauft.

Albrecht und Agnes

Welche Rolle spielt Dürer nun noch für Nürnberg? Auf dem Platz am Tiergärtnertor steht eine Hasenfigur. Vor allem Jugendliche sammeln sich um sie herum. Sie ist ein Treffpunkt, ein Wiedererkennungswert des Ortes. Nicht jedem ist bewusst, dass das Motiv des Hasen von Albrecht Dürer stammt und doch ist die Figur bekannt. So bleibt Dürer in den kleinen Dingen am Leben, Jahrhundert für Jahrhundert. Der echte Hase, den Dürer zur Zeichnung inspirierte, hoppelt nicht mehr herum. Er landete bei nächster Gelegenheit im Kochtopf.

„Hätt ich g´wusst, wie berühmt der Hase mal wärd, hätt´ er das ew´ge Leben bekommen. Ja mei, da war´s dann schon zu spät…“, beteuert die Agnes Dürer-Schauspielerin (Karin Mayer) in ihrer Führung durch das Albrecht-Dürer-Haus. Sie spielt die Ehefrau Dürers und plaudert keck und gewitzt aus dem Nähkästchen. Historischen Überbringungen nach galt sie als „Schreckschraube“. Zur Frage, ob dem wirklich so war, richtet sie ihr weißes Kopftuch und zuppelt ihre blaue Schürze zurecht, bevor sie diesmal auf Hochdeutsch entgegnet: „Viele Männer haben halt Angst gehabt vor mir. Weil ich emanzipiert war, weil ich modern und in der Schule war.“ Agnes Dürer war die Geschäftsfrau an der Seite ihres Gatten. Sie sorgte dafür, dass Dürer von seiner Kunst gut leben konnte.

Die Führungen im Albrecht-Dürer-Haus lassen die Erinnerungen Dürers auch für das jüngste Publikum aufleben. Albrecht Dürer ist ein Wahrzeichen für Nürnberg, etwas Positives, an dem die Stadt auch nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg festhalten konnte. Auch wenn die originalen Gemälde Dürers nicht in Nürnberg verblieben sind, ist es doch klar, dass Albrecht Dürers Geist hier am stärksten durch die Gassen schwebt und bis heute unvergessen bleibt.

Fakten über Albrecht Dürer

  • Albrecht Dürer ist der wohl bekannteste Künstler aus der Renaissance. Geboren ist er 1471 in Nürnberg. Dort hat er die meiste Zeit seines Lebens verbracht.
  • Bekanntgeworden ist er für seine aufwendigen Portraits und Kupferstiche. Internationale Aufmerksamkeit bekommt auch sein Aquarell-Bild eines Feldhasen.  
  • Mit 13 Jahren lässt er sich von dem Maler Michael Wolgemut ausbilden. Etwa zehn Jahre später hat er sich als Künstler selbstständig gemacht. Viel Mühe hat er darin investiert, sich für potenzielle Kund*innen zu vermarkten. Gerade seine Selbstportraits haben seine präzisen Fähigkeiten nach außen bringen können.
  • Wo heute in Nürnberg das Museum Albrecht-Dürer-Haus steht, hat der Maler gelebt und gearbeitet. Zusammen mit seiner Frau Agnes Dürer, die sich neben der hauswirtschaftlichen Verpflegung auch um die finanzielle Sicherheit gekümmert hat.

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Autorin: Lea Henneberg