Das Albumcover "Real Power" von Gossip zeigt die Bandmitglieder als Gemälde.

Album der Woche

Gossip mit „Real Power“

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„Heavy Cross“, eine DER Singles von 2009, blieb 97 Wochen in den Charts. Das sind fast zwei Jahre. Nur DJ Ötzis „Ein Stern“ war jemals länger in den deutschen Single-Charts. Die Band dazu heißt Gossip und nach zwölf Jahren Pause gibt’s jetzt neue Musik.

Das Band-Trio ist politisch, queer und body-positiv. Ging es damals um die Kritik gegen den ehemaligen US-Präsidenten Georg W. Bush, geht es heute um Black Lives Matter und queere Lebensfreude. Frontsängerin Beth Ditto war ein frühes Vorbild der Body Positivity-Bewegung und hat in der Pause der Band unter anderem Mode für alle Größen produziert. Eigentlich wollte sie sich auch weiter darauf und auf ihre eigene Solo-Karriere konzentrieren sowie ein weiteres eigenes Album produzieren.

Zusammen mit Bandkollege Nathan Howdeshell fing sie also an zu schreiben. Entstanden sind elf neue Songs. Mittendrin änderte sich aber die Richtung und es wurde ein Band-Album daraus:

„Ich habe Rick Rubin, unseren Produzenten, gefragt, ob das ein Solo- oder ein Gossip-Album werden sollte. Er dachte, dass es eine Gossip-Platte werden sollte. Also habe ich zu Nathan gesagt, dass es ein gemeinsames Album wird, ich habe die anderen also nie gefragt, ob sie überhaupt ein gemeinsames Album machen wollen.“

– Beth Ditto im Interview

Funktioniert hat es auf jeden Fall. Das Album rockt, der Titelsong genauso:

Real Power

Mit eingängiger, von Synthesizern und funky Bass getriebener Melodie und Beth Dittos kraftvollem Gesang ist der Titelsong „Real Power“ eine rebellische Hymne und ein Aufruf zum Widerstand. Inspiriert wurde „Real Power“ von den weltweiten Black Lives Matter-Protesten während der Pandemie.

Turn The Card Slowly

In „Turn The Card Slowly“ gelingt die Balance zwischen Sanftheit und Intensität. Der Song über Dittos in die Brüche gegangene Ehe mit ihrer Jugendliebe lässt sich auch auf Gossip ummünzen, die sich 2016 auflösten. Für die Sängerin war es schwer nachvollziehbar, dass es Gitarrist Nathan Howdeshell zurück in den Bible Belt zu den schärfsten Abtreibungsgegner*innen zog, um dort als wiedergeborener Christ zu leben. Der Frust war nicht von Dauer, schließlich haben die beiden das neue Album zusammen geschrieben.  

Peace and Quiet

„Peace And Quiet“ ist an einen Ex-Lover gerichtet. Die Person soll gehen. Was sie in ihrer eigenen Zeit tun würde, wäre nicht mehr das eigene Problem. Bei Kritiker*innen und Fans kam dieser Song bisher nicht so gut an, er liegt Frontsängerin Beth Ditto aber besonders am Herzen:

„‚Peace And Quiet‘ mag ich am liebsten. Es hat eine Destiny Child-Referenz in der Mitte.“

– Beth Ditto im Interview

Crazy Again

Die Schamlosigkeit, mit der Beth Ditto einst übergewichtige Frauen für alle sichtbar machte, hatte man bis zum Video zum entsprechend angriffslustigen „Crazy Again“ auch schon wieder vergessen: Dort sieht man der Amerikanerin in Unterwäsche auf einer völlig verratzten Toilette beim Urinieren zu.

Power und Kontrollverlust

Als Vorreiterin der Body Positivity-Bewegung hat Frontsängerin Beth Ditto in den 2000ern auch viel Kritik bekommen. Die Liedtexte der neuen Platte handeln immer wieder von Power und Kontrollverlust. Mit Mitte 40 hat sie einen besonnenen Blick drauf:

„Am Ende des Tages hat man nur Kontrolle über sich selbst. Und auch nur Power über dich selbst. Einfluss ist etwas anderes, Ermutigung ist etwas anderes, und Positivität auch. Es geht darum, wie man andere fühlen lässt, wie man andere behandelt. Das ist was anderes und das ist etwas sehr Starkes.“

– Beth Ditto im Interview

Mit ihrem neuen Album ist Gossip auch auf Tour. Wer die ikonischen Amerikaner*innen live sehen will, hat Glück. Im August kommen Gossip nach Deutschland, unter anderem nach München, Berlin und Ulm.

Unsere weiteren Alben der Woche findet ihr hier.

Autorin: Riccarda Rascher