Das Albumcover "Blue Electric Light" von Lenny Kravitz zeigt den Musiker, wie er mit einer Sonnenbrille in der Dunkelheit am Boden liegt.

Album der Woche

Lenny Kravitz mit „Blue Electric Light“

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„Lenny Kravitz geht mit nichts außer seiner Lederhose ins Fitnessstudio“ oder „Lenny verzichtet auf Unterwäsche“, nachdem besagte Lederhose auf einem Konzert in Schweden im Schrittbereich riss. Es ist Lenny Karvitz‘ polarisierender Lifestyle, der in den letzten Jahren für solche Schlagzeilen sorgte, und weniger die musikalischen Erfolge des Rockstars. Das will er nun ändern. Er veröffentlichte vor kurzem sein neues Album „Blue Electric Light“ und bekommt das erste Mal seit langer Zeit wieder Aufmerksamkeit der Musikmagazine.

„sax sells“ oder „sex sells“

Keine zwölf Stunden nach Release des Musikvideos zu „TK421“ trendet „NSFW“ auf Twitter. Das Video sei „not safe for work“, man könne es also nicht sicher vor seinen Kolleg*innen abspielen. Wieso? Nun, Lenny Kravitz präsentiert sich in dem Video – vorsichtig gesagt – unverblümt; um genau zu sein, hat sein nacktes Hinterteil wohl mehr Screentime als das Gesicht des Rockstars selbst. Über die Bedeutung dieses mysteriösen Titels zeigt sich Lenny allerdings weniger freizügig. Es bleibt sein kleines Geheimnis. Tatsächlich ist TK421 aber die Bezeichnung für den männlichen Sturmtruppler aus Star Wars. Lenny singt in dem Song „can you feel it, my TK421” …das Kopfkino sei nun jedem selbst überlassen.

Es ist also wahrhaft unübersehbar, dass Kravitz mit sexuellen Bildern spielt. Doch auch „sax“ wie Saxofon darf nicht fehlen, wenn man an Lenny Kravitz-Musik denkt. Auf seinem neuen Album ist es mehrfach vertreten. Es verstärkt den Soul-/funkigen Sound der 60er-Jahre, an dem Kravitz sich musikalisch orientiert. Der Funk darf auch im namensgebenden Track des Albums nicht fehlen. „Blue Electric Light“ ist wohl der typische Kuschelrock-Song. Da sind wir wieder: Alle Wege führen bei Lenny Kravitz eben nicht nach Rom, sondern in sein Schlafzimmer. Mit dem romantischsten aller Liebhaber*innen identifiziert sich der 60-Jährige übrigens auch: sein allererster Künstlername war „Romeo Blue“. Damals trug er nämlich immer blaue Kontaktlinsen auf der Bühne. Vielleicht ist das blaue Licht, unter dem er in dem Song „Blue Electric Light“ Sex haben will, also auch einfach nur die Sicht durch die Linsen.

Die Idole des Idols

Anders als seine Rockstar-Persona es vermuten lässt, ist Kravitz ein sehr religiöser und spiritueller Mensch. So stammt seine Musik nach eigener Aussage nicht aus seiner Feder, er sei nur das Ventil für Gott, um die Noten auf das Papier zu bringen.

„Die Stücke wurden mir von oben geschickt. Ich bin nur eine Antenne. Meine Aufgabe ist es, Schwingungen zu spüren. Ich fühle mich geehrt, diesen Song-gewordenen Schwingungen Schönheit verleihen zu dürfen.“

– Lenny Kravitz im Interview mit dem Rolling Stone Magazine

Neben „Dem da oben“ schaut Lenny Kravitz auch zu Rockidolen auf. Zu seinen größten Vorbildern gehört Led Zeppelin. Die Melodie des Wahnsinnshits „Stairway to Heaven“ zitiert er geschickt in „Spirit in my Heart“. Mit den Electro-Beats eines Synthesizers verpassen sie dem Ganzen die typische „Kravitz-Handschrift“. Der Spirit in seinem Herzen, von dem er in dem Song singt, war und wird letztendlich immer Gott sein.

Leben abseits des Fames

Diese offene Spiritualität stößt jedoch nicht immer auf Begeisterung. Lenny Kravitz ist Jude – und noch dazu schwarz. Sein Leben lang kämpft er gegen Blasphemie und Rassismus. „Let Love Rule“ – sein Debütalbum – erscheint Ende der Achtziger in einer Zeit, in der Hip-Hop von MC Hammer und Ice-T vordergründig in den Charts läuft. Ein „schwarzer Rockstar“ ist nicht so gern gesehen.

Doch Lenny Kravitz wäre wohl nicht Lenny Kravitz, wenn er sich das gefallen lassen würde. Er spricht offen über politische Missstände, kritisiert mehrmals Donald Trumps rassistische Politik. In „Human“ singt er „I’m gonna live my truth in this life…gonna walk each step with pride”. Er ist stolz auf seine Herkunft und existiert nur, um menschlich zu sein.

Zu seiner menschlichen Seite hat Lenny nun schon seit einigen Jahren wiedergefunden. Er ist – einmal abgesehen von gelegentlichen Auftritten in Hollywood-Blockbustern oder Fashion-Shows – weitgehend in den Nomaden-Lifestyle übergegangen. Den zelebriert er selbstverständlich in echter Weltstar-Manier: auf einer riesigen Farm im teuersten Stadtteil von Paris, mit Personaltrainer für den mittlerweile 60-Jährigen. Im Übrigen mag sein Motto „sex sells“ sich gut vermarkten, im Privaten hat sich Lenny Kravitz aber schon vor Jahren von der „Sex, Drugs and Rock ’n‘ Roll“-Szene abgewendet. Lenny Kravitz ernährt sich vegan und – man kann es kaum glauben – lebt seit der Scheidung von Exfrau Lisa Bonet enthaltsam.

Nun widmet er sich wieder voll und ganz der Musik und das nicht erfolglos. Das neue Album erreicht Platz fünf der deutschen Albumcharts und Kravitz darf neben seinen großen Idolen nun selbst auf dem Hollywood Walk of Fame einziehen. Damit erfüllt er sich selbst den größten Traum und beweist allen, dass ein schwarzer Rockstar sehr wohl seinen Platz in der Branche verdient hat.

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Autorin: Clara Ahrens