Provokation, lyrische Meisterwerke und brachialer Sound – Deutschlands Exportschlager Nummer Eins Rammstein sind mit ihrem neuen Album „Zeit“ zurück. Bereits im Vorfeld haben Fans gemunkelt, es könnte das letzte Werk der Band sein. Es beschäftigt sich mit „rammsteintypischen“ Themen. Till Lindemann und Co führen uns erneut vor Augen, was alles in der Gesellschaft schiefläuft.

Den von Musikzeitschriften und Kritiker*innen eigentlich erwarteten Skandal gibt es dieses Mal nicht. Für starkes Aufsehen hatte die Band zuletzt vor drei Jahren mit ihrem Musikvideo zu dem Song „Deutschland“ gesorgt. Das neue Album bietet dieses Potenzial nicht – was es nicht schlechter macht. „Zeit“ ist thematisch eine sehr düstere Scheibe. Die Songs sind lyrisch eher einfacher gestrickt als von Rammstein gewohnt. Bei einigen Stücken ist direkt klar, was gemeint ist. Spekulationen sind trotzdem möglich – Zweideutigkeiten sind und waren eine Spezialität der Musiker.

Vom Älterwerden und der Vergänglichkeit

Rammstein hatten letztes Jahr bereits angekündigt, ein Konzeptalbum herausbringen zu wollen. Und es gibt eine Sache, die sich wie ein roter Faden durch die Platte zieht. Es geht um Abschied, Älterwerden und Ende. Bereits mit dem Titeltrack, der Ballade „Zeit“, und dem dazugehörigen Musikvideo fassen sie das einmal alles zusammen. Till Lindemann singt vom Fluss der Zeit, dem kein Mensch entkommen kann.

Auch die Single „Zick Zack“ spricht gewissermaßen vom Altern. Im ersten Moment steht der Hype um Schönheitsoperationen im Fokus. Dieser wird von der Band auf die Schippe genommen. Aber wenn man genau hinhört, dann dreht sich der Song auch um das unumkehrbare Thema Altern. Die sechs Bandmitglieder haben sich nicht nur für das Video im 70er-Jahre Style „hübsch“ gemacht. Sie haben in einem eigenen Rammstein-Kiosk ein eigens kreiertes Beauty-Magazin veröffentlicht.

Dicke Titten und Sex ohne Kondom

Trotzdem bekommen die ein oder anderen ihr Fett auf „Zeit“ weg. Im Song „Armee der Tristen“ beschwört die Band die Hörer*innen ein, ein Teil der düsteren Rammstein-Welt zu werden. Gleichzeitig könnte der Track aber auch eine Spitze gegen Querdenker*innen und Co sein. „Dicke Titten“ klingt im ersten Moment nach einer sehr primitiven, sexistischen Nummer. Tatsächlich kritisiert der Titel aber weiße, notgeile Männer in der Midlife-Crisis, die ausschließlich Frauen mit großer Oberweite suchen und deren Charakter ihnen völlig egal ist. Etwas provozierend sollen Titel und Inhalt natürlich sein. Passend dazu haben sie sich einen interessanten Soundmix für „Dicke Titten“ einfallen lassen. Ihren Industrial-Metal haben sie mit Volksmusik gemischt.

Das Provokative gilt auch für „OK“. Voll ausgeschrieben heißt der Track „Ohne Kondom“. Ein Kirchenchor verrät gleich zu Beginn, worum es geht. Eigentlich wirkt „OK“ eher als Spaß-Nummer. Vielleicht ist es aber auch mal wieder eine Anspielung auf den sexuellen Missbrauch in der Kirche. Genau sagen kann man das allerdings nicht. Rammstein lassen den Text sehr offen – vielleicht ist es auch wirklich nur ein Song über Sex ohne Kondom.

Ein Kinderspiel

Düster und sehr ernst ist dagegen der Song „Angst“. „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ Dieses eigentlich relativ harmlose Spiel hat bestimmt jede*r als Kind einmal gespielt. Natürlich stellt sich kein Kind People Of Colour dabei als böse*n Fänger*in vor. Alltagsrassismus ist dagegen leider aktuell wie eh und je. Rammstein beziehen in dem Song und insbesondere im Musikvideo klar Stellung dazu. Das Internet als Meinungsmache, symbolische Mauern, die gebaut und mit Waffen wieder eingerissen werden.

Adieu, Goodbye, Auf Wiedersehen,
Die Zeit mit dir war schön.

Rammstein in „Adieu“

Viele Fans haben bereits im Vorfeld vermutet, es könnte das letzte Album der Band werden. Die Songs auf „Zeit“ zeigen fast alle in diese Richtung. Es könnte ein Konzeptalbum sein, dass ihren Abschied einläutet. Vor allem der Titeltrack „Zeit“ (siehe oben) und der letzte, „Adieu“, sprechen dafür Bände. In dem Lied besingen sie den Tod und Abschied von einer geliebten Person oder eines guten Freundes.
Auch hier könnten es die sechs Musiker wieder zweideutig meinen. Denn vielleicht spricht die Band in dem Song jeden Fan einzeln an, um auf Wiedersehen zu sagen.

Ob tatsächlich das Ende der Band bevorsteht, das werden wir frühestens nach der wegen der Corona-Pandemie auf 2022 verschobenen European-Stadium Tour erfahren. Kürzlich veröffentlichte Tourdaten für das nächste Jahr haben sich dagegen leider als Fake News herausgestellt. Die Band hatte diese dementiert, nachdem Termine von verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht worden waren. Vielleicht haben Rammstein-Fans auf der ganzen Welt aber doch noch Glück und ein mögliches Ende der Band verschiebt sich noch etwas.

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