Das Albumcover "Dirt Femme" von Tove Lo zeigt die Musikerin in Unterwäsche von der Seite. An ihrem Rücken ist eine nach oben zeigende Kette aus Bällen zu sehen, die wie ein Skorpion-Schwanz aussieht.

Album der Woche

Tove Lo mit „Dirt Femme“

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Mit „Habits (Stay High)“ hat Tove Lo für einen Megahit und Ohrwurm gesorgt. Gleichzeitig war es ihr internationaler Durchbruch. Mittlerweile hat die schwedische Sängerin und Songwriterin ihr fünftes Studioalbum „Dirt Femme“ herausgebracht, unser Album der 43. Kalenderwoche.

Umzug nach Los Angeles, Pandemie und Hochzeit – seit ihrem letzten Album ist bei Tove Lo viel passiert. Sie gründete ihr eigenes Label und brachte mit „Dirt Femme“ das erste Album unter Pretty Swede Records raus. Die meisten der Songs schrieb die 34-Jährige zusammen mit einem Songwriter in Südschweden an der Westküste. Es ist für sie ein ganz besonderer Ort, weil sie, seit sie ein Baby war, jeden Sommer dort verbracht hat. „Es fühlt sich für mich so an, als wäre jedes Album ein neuer Abschnitt meines Lebens“, erklärt Tove Lo. „‚Dirt Femme‘ fühlt sich wie eine komplett neue Reise an – auf verschiedene Arten.“

Schmutz unter den Fingernägeln

Tove Lo liebt Dance Musik und das Auflegen, geht gerne auf Raves, weil sie in der Musik eintauchen kann, wie sie im Interview verraten hat. Für ihr fünftes Studioalbum „Dirt Femme“ ließ sie sich von den verschiedensten Epochen der Dance Musik inspirieren. Doch hinter den Songs steckt auch eine tiefere Bedeutung: „Ich würde ‚Femme‘ nicht wörtlich mit Frau übersetzen, sondern mit Weiblichkeit. Ich fühle mich sehr verbunden mit meiner weiblichen Seite, aber auch mit meiner Rauheit. So würde ich meine Weiblichkeit beschreiben – mit Schmutz unter meinen Fingernägeln.“

Die Schwedin hatte in ihrem beruflichen Umfeld fast nur Männer um sich herum. Dadurch fühlte sie sich, als wäre sie von toxischer Männlichkeit umgeben. Deswegen übernahm sie diese und unterdrückte ihre weiblichen Eigenschaften. Erst durch die „Me Too-Bewegung“ reflektierte sie sich selbst. Ihrer Meinung nach hat jeder Mensch männliche und weibliche Eigenschaften.

Sample und Kollaborations

Einer der Songs dürfte vielen von euch bekannt vorkommen. Tove Lo sampelt in ihrem Lied „2 Die 4“ die berühmte „Popcorn“-Melodie von Gershon Kingsley. „‚2 Die 4‘ ist der ‚Pick-Me-Up-Song‘, wenn du mit jemandem ausgehen, denjenigen aufmuntern und flirten willst. Du gehst also raus, munterst jemanden auf und tanzt den Schmerz weg.

Neben einem Sample bietet Tove Lo auf der Platte auch einige Kollaborations. Eine davon ist die mit dem britischen Singer-Songwriter und Producer SG Lewis, zum Beispiel im Song „Call On Me“. „Es ist definitiv einer der sexiesten Songs auf der Platte. Für mich ist es die Tanzhymne des Albums“, sagt die 34-jährige Sängerin zu „Call On Me“. SG Lewis ist auch bei einem weiteren Song („Pineapple Slice“) auf dem Album dabei, der sich ebenfalls um Sex dreht.

Tove Lo arbeitete für „Dirt Femme“ auch mit weiteren Künstler*innen zusammen – mit Channel Tres („Attention Whore“) und First Aid Kit. Für den Song „Cute & Cruel“ holte sich „Habits“-Sängerin Unterstützung vom schwedischen Indie-Pop-Schwestern-Duo First Aid Kit. „‚Cute & Cruel‘ ist ein Liebessong“, erklärt Tove Lo. „Es ist ein Sonnenuntergangssong. Ich denke, dass Liebe das ist, was uns antreibt. Sie ist der Hauptgrund, warum wir etwas tun.“

Leben und Arbeiten im Kollektiv

„No One Dies From Love“ ist das einzige Lied vom Album, das Tove Lo 2020, also vor der Pandemie, geschrieben hat. Sie hatte sich mit einem Songwriter drei Wochen Zeit genommen, um mehrere Lieder zu schreiben. Herausgekommen ist nur der eine Song. „In ‚No One Dies From Love‘ geht es um das Gefühl, sich nach einem Herzschmerz nicht mehr zu erholen. Es fühlt sich so an, als würde ein Teil von dir sterben. Die Zeit heilt die meisten der Wunden, aber in diesem Moment kannst du das nicht fühlen. Es ist ein Gefühl von Verlust.“

Zusammen mit ihrem Ehemann und Creative Director Charlie Twaddle sowie zwei Freunden wohnt Tove Lo in Los Angeles in einem Haus. Sie leben in einer Art Kollektiv. Mit einem ihrer Mitbewohner schrieb sie den Song „True Romance“. Sie nahmen den Song in nur einem Take auf. Deswegen ist er emotional und unvollkommen – genauso soll er laut Tove Lo auch sein. „‚True Romance‘ ist inspiriert von dem gleichnamigen Film. Ich wollte mit dem Lied die dramatischste, zerstörerischste, leidenschaftlichste Liebesgeschichte erzählen. Ich denke, dass der Film das verkörpert. Ich beschreibe mit meinem Song also die Geschichte des Films. Ich denke, es war ziemlich clever und schön.“

Essstörungen und Alleinsein

Den Song „Grapefruit“ wollte Tove Lo schon seit zehn Jahren schreiben. Es geht um ihre Essstörungen und Probleme mit ihrem Körper als Teenager. Sie ist mittlerweile gesund, aber mit dem Lied hat sie ein wichtiges Anliegen: „Wenn ich mich schlecht fühle, suche ich nach Songs, die mich unterstützen. Inspirierende Songs lassen mich aber so fühlen, als würde ich noch mehr scheitern. Wenn jemand mir sagt, wie ich über meinen Körper denken und fühlen soll, dann fühle ich mich, als würde ich scheitern. Also habe ich den Song so geschrieben, wie ich mich damals gefühlt habe und wie mein Verhalten mich beeinflusst hat. Wenn ihr den hört und euch reinversetzen könnt, fühlt ihr euch nicht so alleine. Mir hat es immer sehr geholfen, Songs zu hören, die beschreiben, wie ich mich in diesem Moment fühle. So habe ich mich weniger alleine gefühlt. Das ist das, was ich bei ‚Grapefruit‘ gemacht habe.“

Obwohl das Album durch die Dance Musik und vermeintlich oberflächliche Themen wie Sex und Liebe fröhlich klingt, schafft es Tove Lo, auch ernstere Themen wie Essstörungen („Grapefruit“) oder Muttersein („Suburbia“) unterzubringen. Sie weist also nicht nur auf wichtige Dinge hin, sondern sorgt auch für Ohrwürmer. „Dirt Femme“ ist ein Album zum Tanzen, Mitsingen und Nachdenken.

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