Bundestagswahl 2021
Wählen. Aber Queer.
Viele Menschen entscheiden bei der Bundestagswahl nach den Themen, die sie persönlich am meisten betreffen. So geht es auch vielen queeren Menschen. Mit ihrer Queer-Politik schneiden die verschiedenen Parteien mal besser, mal schlechter ab.
Klimaschutz, Rentenalter, Digitalisierung – es gibt viele Themen, die im Wahlkampf wichtig sind. Vor allem, wenn es dabei um die Bundestagswahl geht. Da machen viele Menschen ihre Kreuzchen bei den Parteien, die ihre persönlichen Interessen am besten vertreten. Queere Menschen entscheiden dabei häufig auch auf Basis der Queer-Politik von Parteien.
Logisch. „Manche Parteien setzen sich halt mehr oder weniger für queere Rechte ein, und ich wähle dann logischerweise nichts, was sich gegen meine Rechte einsetzen würde,“ sagt Theresa H. dazu nur. Sie ist Koch und selbst queer.
Das Thema queere Rechte ist immer noch politisch kontrovers. Die Ehe für alle gibt es immerhin in Deutschland seit 2017. Das heißt aber nicht, dass alle Probleme für queere Menschen gelöst sind. Manche Parteien, wie etwa die Grünen oder Die Linke, aber auch teils die FDP, setzen sich aktiv für die Rechte queerer Menschen ein. Andere Parteien, wie etwa die CDU/CSU und natürlich die AfD, gehen diese Themen entweder gar nicht an oder arbeiten sogar aktiv dagegen.
Deutschland – aber normal?
Mit so einer Politik werden diese Parteien für die meisten queeren Menschen dann unwählbar. „Gute Politik für queere Menschen ist für mich genauso wichtig wie gute Klimapolitik, Migrationspolitik oder auch gute Arbeits- und Wohnpolitik, weil ich finde, dass zukunftsorientierte Politik immer die größtmögliche Angstfreiheit für so viele Menschen wie möglich im Fokus hat. Und in einem gesellschaftlichen Klima der Angstfreiheit bewegen sich dann natürlich auch Minderheiten oder auch queere Menschen sicherer und freier“, meint auch der Student Georg S.
Somit wären Parteien, „die mit Angst und Ausgrenzung von sozialen Minderheiten Wahlkampf machen, reaktionäre Familienpolitik im Programm haben, oder queere Politik suggestiv aussparen“, für Georg nicht wählbar. Das betrifft für ihn vor allem die AfD und die Union, aber auch die SPD. Diese schreibe sich zwar gerne queere Themen sozusagen auf die Wahlkampf-Fahne, würde dann aber im Endeffekt trotzdem ihre Machtposition nicht für queere Menschen nutzen.
Theresa sieht das ganz ähnlich. Mindestens alles, was rechts der Union wäre, sei absolut nicht wählbar für sie, und auch die Union sei beim Thema queere Rechte, insbesondere Trans-Rechte, „nicht so gut dabei“. Folglich wären diese Parteien auch für sie damit von vornherein raus – und da hilft auch keine Wahlwerbung mehr.
Selbstbestimmung Für Alle
Als Beispiel für gescheiterte Queer-Politik nennen hier beide das Selbstbestimmungsgesetz, das von den Grünen, der FDP und der Linke initiiert wurde. Dieser Gesetzesvorschlag ist dieses Jahr diskutiert worden und hätte Teile des überholten Transsexuellengesetzes in Deutschland ablösen sollen. Der Entwurf hätte es unter anderem Transmenschen einfacher gemacht, ihr legales Geschlecht und Namen zu ändern. Im Endeffekt hat der Bundestag den Vorschlag aber abgelehnt.
Diesen Vorschlag rechnen aber dennoch sowohl Georg als auch Theresa diesen Parteien an. Die Grünen und Die Linke – und bedingt auch die FDP – können also im Gegensatz zu Union und Konsorten mit ihrer Queer-Politik punkten.
Regierungswechsel – und dann?
Bei einem Regierungswechsel wären also auch Verbesserungen der Rechte queerer Menschen im Bereich des Möglichen. „Aufklärungskampagnen zur Vielfalt der sexuellen Orientierung und auch der geschlechtlichen Identität“ wünscht Georg sich konkret. Außerdem müsse klar gemacht werden, dass Queerfeindlichkeit für viele Menschen eine tägliche Bedrohung sei.
Auch Theresa hat spezifische Vorstellungen; sie würde sich wünschen, dass sich mehr für die Rechte von gleichgeschlechtlichen Paaren eingesetzt wird, „wenn es beispielsweise um die Adoption geht“.
Queere Menschen im Bundestag
In der Politik gibt es durchaus bereits Politiker*innen, die offen queer sind – und intuitiv wäre zu erwarten, dass diese Menschen dann nur bei queerfreundlichen Parteien aufgestellt sind. Dem ist aber nicht so: Auch in konservativen oder queerfeindlichen Parteien gibt es queere Politiker*innen. Jens Spahn von der Union, beispielsweise, oder sogar Alice Weidel von der AfD.
Theresa hat dafür kein Verständnis: „Das ist für mich absolut unverständlich, wie man als lesbische Frau in einer Partei sein kann, die Wahlwerbung mit dem Slogan ‚Deutschland. Aber normal.‘ macht. Ich kann nicht verstehen, wie man das mit sich selbst und der eigenen Identität überein bringen kann.“ Auch Georg findet das „sehr absurd.“ Andererseits zeige dies, dass queere Menschen eben auch nur Menschen und somit komplex sein. Und das wäre dann ja irgendwo auch wieder gleichberechtigt.
Dieses Jahr sind mehrere Menschen von verschiedenen Parteien zur Wahl aufgestellt, die offen trans sind und das auch leben. Eine dieser Politiker*innen ist Tessa Ganserer von den Grünen, die für Nürnberg bei der Bundestagswahl antritt. Das stimmt Theresa positiv. „Ich denke, dass bei Leuten, die selbst queer oder trans sind, eher das Verständnis da ist für die ganze Community und was da gebraucht wird und wie man sich da mehr für die Leute einsetzen kann. Und ich hoffe auch, dass [diese Menschen] dann ihre Plattform nutzen, um das auch zu tun.“
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Autor*in: Milena Graf